Lübeck's Dance of Death

Lithograph after Milde
Carl Julius Milde, Milde #3

Here is the "new" text from St. Mary's Church in Lübeck written in 1701 by Nathanael Schlott,

This version of the text was transcribed by Jacob von Melle, vicar from St. Mary's Church, and published in the book »Gründliche Nachricht von der[…] Reichs Stadt Lübeck«, 1713.

Introduction

Still / Vermessener! du seyest auch wer du
seyest / der du durch manch unnützes Wort
diesen heiligen Ort entweyhest. Hier findest
du keine Plauder-Capelle / sondern im
Todten=Tantz deine gewisse Stelle. Still demnach /
still! Laß das Mahlwerck stummer
Wände mit dir reden / und wo möglich vor
dem Ende dich überreden / daß der Mensch
sey und werde Erde. N. S.

Death

Der Tod:
Heran / ihr Sterblichen / das Glaß ist aus / heran!
Vom Höchsten in der Welt bis auf den Bauersmann.
Das Wegern ist umsonst / umsonst ist alles Klagen /
Ihr müsset einen Tantz nach meiner Pfeiffe wagen.

Death to the pope

Der Tod zum Pabste:
Komm / alter Vater / komm / es muß geschieden seyn!
Kreuch aus dem Vatican in diesen Sarg hinein.
Hier trägt dein Scheitel nicht das Gold von dreyen Kronen /
Der Hut ist viel zu hoch / du must jetzt enger wohnen.

The pope

Der Pabst zum Tode:
Wie? scheu't der Tod den Blitz von meinem Banne nicht?
Hilfft kein geweyhtes Naß / und kein geweyhtes Licht?
So bleibt mir doch die Macht zu lösen und zu binden /
Wie solt ich sterbend nicht den Himmels=Schlüssel finden?

Death to the emperor

Der Tod zum Käyser:
Auf / grosser Käyser / auf! gesegne Reich und Welt /
Und wisse / daß ich dir den letzten Tantz bestellt.
Mein alter Bund gilt mehr / als Apffel / Schwerdt und Bullen /
Wer mir Gesetze schreibt / mahlt eitel blinde Nullen.

The emperor

Der Käyser zum Tode:
Was hör ich? trägt der Tod für Göttern keine Scheu?
Sind Käyser=Cronen nicht für seiner Siechel frey?
Wohlan / so muß ich mich / ô hartes Wort! begvemen
Und von der dürren Hand den Reiches=Abschied nehmen

Death to the empress

Der Tod zur Käyserinn:
Reicht ohngewegert her der Hände zartes Paar /
Und wandert fort mit mir / zu jener grossen Schaar.
Doch spart die Tränen=Flut des bittern Scheidens wegen /
Man wird euch dem Gemahl bald an die Seite legen.

The empress

Die Käyserinn zum Tode:
Ist Zeit und Stunde da / so schick ich mich darein /
Und wil auch sterbend dir / mein Käyser ähnlich seyn.
Kanst du dem Reiche dich nicht stets als Sonne zeigen /
So muß sich auch der Tod zum Untergange neigen.

Death to the cardinal

Der Tod zum Cardinal:
Gib gute Nacht der Welt / bestürzter Cardinal!
Dein Ende ruffet dich zur ungezelten Zahl.
Ich weiß nicht / was du dort wirst für ein Theil erlangen /
Das weiß ich / Sohn / Du hast viel gutes hier empfangen.

The cardinal

Der Cardinal zum Tode:
Rom schenckte mir den Hut / der Hut trug Ehr und Geld /
So baut' ich Sorgen=frey das Paradis der Welt.
Mein Wunsch war mit der Zeit auf Petri Stul zu rücken /
Und muß davor erblaßt das Haupt zur Erden bücken.

Death to the king

Der Tod zum Könige:
Denck an den wahren Spruch / den Sirach abgefaßt /
Der heute König heißt / liegt morgen gantz erblaßt.
Alsdenn so kan man dich nicht mehr Großmächtig schreiben /
Weil deine Macht zu schwach / die Würmer zu vertreiben.

The king

Der König zum Tode:
Steckt denn des Todes Faust auch Königen ihr Ziel?
So gleicht das Regiment dem Schach= und Königs=Spiel.
Mein Scepter streckte sich vom Süden zu dem Norden /
Nun bin ich durch den Todt besetzt und Schach=matt worden.

Death to the bishop

Der Tod zum Bischofe:
Du lehnest dich umsonst auf deinen Hirten=Stab;
Zerbricht das schwache Rohr / so taumelst du ins Grab.
Hiernechst mag Menschen=Hand dir auf dem Leich=stein schreiben:
Ein Hirte kan nicht stets bey seiner Heerde bleiben.

The bishop

Der Bischof zum Tode:
Unsträfflich konnt ich zwar / doch nicht unsterblich seyn /
Drum bricht der Tod mit Macht zu meinen Fenstern ein.
Nun wache / wer da wil / ich rüste mich zum Schlaffe /
Und sage nichts als dis: Gehabt euch wol / ihr Schafe

Death to the duke

Der Tod zum Hertzog:
Her / Hertzog / her mit mir / zu jener langen Nacht!
Wenn dieser Zug geschehn / so ist der Lauff vollbracht.
Hast du nun deine Lust / als wie den Feind / befochten /
So nimm den Ehren=Krantz von Gottes Hand geflochten.

The duke

Der Herzog zum Tode:
Ich zog mit Heeres=Kraft durch manch entferntes Land /
Und machte Nahm und Ruhm der tapffern Welt bekannt.
Jetzt hemmt die Todes=Post den Glückes=Lauff im Siegen /
Und ruffet: Schicke dich zu deinen letzten Zügen.

Death to the abbot

Der Tod zum Abte.
Hör / Abt / die Glocke schlägt / die dich zu Bette rufft!
Nun tantze fort mit mir / zu der bestimmten Grufft.
Inzwischen laß die Furcht der Einsamkeit verschwinden /
Dort wirst du ein Convent von tausend Brüdern finden.

The abbot

Der Abt zum Tode:
Zu steigen / war mein Wunsch / bis daß ich Ehren=satt;
Ach aber / ach wie bald kehrt sich das Hoffnungs=Blat!
Indem ich Tag und Nacht nach hohen Titeln schnappe /
Erhascht ein schneller Tod mich bey der schwarzen Kappe.

Death to the knight

Der Tod zum Ritter:
Wirff ab den schweren Rock / womit der Leib bedeckt /
Und den polirten Stahl / der in der Scheiden steckt.
Kein Eisen schützet dich für meinen scharffen Pfeilen /
Du must mit mir zum Tantz in leichter Rüstung eilen.

The knight

Der Ritter zum Tode:
Ihr Helden / schauet mich in diesen Waffen an!
So focht ich als ein Löw / so stund ich als ein Mann /
Bis daß mein Gegenpart gestrecket lag zur Erden;
Nun wil der letzte Feind an mir zum Ritter werden.

Death to the Carthusian

Der Tod zum Carthäuser:
Fort / Bruder / folge mir / zur allgemeinen Ruh /
Und schleuß die Augen so / wie dein Gebet=Buch zu.
Kanst du nun dort / als hier / in weiß gekleidet stehen /
So wirst du an den Tod / als wie zum Tantze / gehen.

The Carthusian

Der Carthäuser zum Tode:
Mein strenger Orden schrieb mir tausend Reguln für:
Jetzt greifft der Todt mich an und ruffet: Folge mir!
Wohlan ich bin bereit / mein Kloster zu verlassen /
Wann ich die Regul nur der Sterbe=Kunst kan fassen.

Death to the mayor

Der Tod zum Bürgermeister:
Ihr Bürger / zürnet nicht / wenn durch des Höchsten Schluß
Der Bürgermeister selbst mit an den Reihen muß.
Der zu gemeinem Heil das Recht so offt gesprochen /
Sieht über sich den Stab durch meine Faust gebrochen.

The mayor

Der Bürgermeister zum Tode:
Es ward fürs Vaterland mein Leben abgenützt /
Und Stadt und Bürgerschafft mit Rath und That geschützt.
Ich fürchte nicht den Tod / denn wenn ich hier erkalte /
So weiß ich daß ich dort das Bürger=Recht erhalte.

Death to the canon

Der Tod zum Thumherrn:
Ihr habet an dem Dom doch nicht ein bleibend Haus /
Und müßt auf einen Winck mit Leib und Seel hinaus.
So werdet ihr zwar hie / dort aber nicht vertrieben /
Wenn euch der Himmel bleibt als Eigenthum verschrieben.

The canon

Der Thum-Herr zum Tode:
Den Jonam warff ein Fisch / doch lebend / an den Strand;
Mich wirfft des Todes=Schlund in jenes Vaterland.
Ihr Menschen / bauet doch die Häuser nicht so feste /
Dort seyd ihr erst daheim / hier aber fremde Gäste.

Death to the nobleman

Der Tod zum Edelmann:
Was hilfft es deiner Faust / die manches Stück erjagt /
Wenn man dis wahre Wort nach deinem Hintritt sagt:
Dem Jäger ist es so / wie seinem Wild / ergangen;
Denn jenes ward durch ihn / er durch den Tod gefangen.

The nobleman

Der Edelmann zum Tode:
Ich war auf nichts so sehr / als auf die Jagd verpicht /
Die Sonne fand mich zwar / doch in den Federn / nicht.
Kein Wild entwischte mir in dick=belaubten Püschen /
Jetzt kan ich leider selbst dem Tode nicht entwischen.

Death to the physician

Der Tod zum Artzte:
Beschaue dich nur selbst / und nicht dein Krancken=Glaß /
Du bist dem Cörper nach so dauerhafft als das.
Ein Stoß zubricht das Glaß / der Mensch zerfällt im Sterben;
Was findet man hernach von beyden? Nichts als Scherben.

The physician

Der Artzt zum Tode:
Verläst mich meine Kunst / alsdenn gesteh ich frey /
Daß zwischen Glaß und Mensch kein Unterscheid nicht sey.
Ihr Brüder / sucht umsonst in Gärten / Thälern / Gründen /
Um für die letzte Noth ein Recipe zu finden.

Death to the usurer

Der Tod zum Wucherer:
Ich fordre deinen Rest / als meinen Zins / von dir;
Zahl ab / und laß die Last des schweren Beutels hier.
Kein Geitz=Hals hat noch nie den Geld=Sack mitgenommen /
Warum? weil kein Cameel durchs Nadelöhr kan kommen.

The usurer

Der Wucherer zum Tode:
Wahr ists / ich liebte nichts / als Wucher und Gewinn /
Und mercke / daß ich arm beym Reichthum worden bin.
Mein Capital ist fort / die Zinsen sind zerstoben;
Ach hätt' ich einen Schatz im Himmel aufgehoben!

Death to the curate

Der Tod zum Capellan:
Ihr Armen / seyd getrost! Tantzt gleich der Mann mit mir /
So bleibt sein Beutel doch zu eurem Vortheil hier /
Nun suchet / wo ihr könnt / den Antheil von Prebenden;
Ich eile / seinen Leib den Würmern auszuspenden.

The curate

Der Capellan zum Tode:
Ich diente dem Altar / und dieser diente mir /
Er gab mir Unterhalt / und ich war seine Zier.
Den Beutel trug ich zwar / doch nicht auf Judas Weise /
Drum bin ich auch so leicht zur letzten Todes=Reise.

Death to the civil servant

Der Tod zum Amptmann:
Du zeigest nach Gebrauch / ein saures Ampts=Gesicht /
Jedoch / was acht ich das? Ich bin kein Bauer nicht.
Muß dieser schon dein Ampt gantz tieff gebücket ehren /
So ruff ich: Amptmann / fort! Du solt den Reihen mehren.

The civil servant

Der Amptmann zum Tode:
Den Bauren schafft ich Recht / den Obern war ich treu /
So blieb mein Wandel rein und mein Gewissen frey.
Nun merck ich / daß der Tod die Tugend wenig schätzet /
Er ruffet: Fort mit dir! Man hat dich abgesetzet.

Death to the parish clerk

Der Tod zum Küster:
Du siehest / wie mich deucht / recht miserabel aus;
Doch / das bewegt mich nicht / bestelle nur dein Haus.
Steht jemand oben an in meinem Zeit-Register /
So heißt es: Fort / du seyst der Kayser oder Küster.

The parish clerk

Der Küster zum Tode:
Da man am Gottes=Haus zum Hüter mich erwehlt /
Hab ich die Zeit und Stund am Uhrwerck abgezehlt;
An diesen wil mir nun / der Tod den Abschied weisen /
Drum muß ich zu dem Dienst der ew'gen Hütten reisen.

Death to the merchant

Der Tod zum Kauffmann.
Denck an den Banquerott, den Adam längst gemacht /
Der setzet dich in Schuld / und hat mich hergebracht.
Zahl aus / und liefre mir den Antheil meiner Waare /
So viel ich fassen kan auf einer Leichen=Baare.

The merchant

Der Kauffmann zum Tode:
Der letzte Mahner kömt mich trotzig angerennt /
Doch bin ich nicht fallit / hier ist mein Testament:
Den Geist vermach ich GOtt / das Gut den rechten Erben /
Dem Satan meine Schuld / den Leib dem Tod' im Sterben.

Death to the hermit

Der Tod zum Cläusener:
Was kerkerst du dich selbst in enge Clausen ein?
Bist du ein Mensch / und magst doch nicht bey Menschen seyn?
Laß / greiser Wunder=Kopff / den Schwarm der Grillen fliegen /
Du must gestorben doch bey deines Gleichen liegen.

The hermit

Der Cläusener zum Tode:
Ich bin ein Mensch / und doch den Menschen nicht geneigt /
Weil manches Menschen=Hertz das Bild des Teufels zeigt.
Nun komm / erwünschter Tod / du machest mir kein Grauen /
Viel lieber wil ich dich / als Menschen=Unart schauen.

Death to the peasant

Der Tod zum Bauren:
Komm / Landsmann / an den Tantz / von Müh und Arbeit heiß /
So schwitzest du zuletzt den kalten Todes=Schweiß.
Laß andre seyn bemüht mit pflügen / dreschen / graben /
Dein saurer Lebens=Tag soll Feyer=Abend haben.

The peasant

Der Bauer zum Tode:
Ich trug mit Ungemach des Tages Last und Noth /
Und aß / vom Schweiß bedeckt / mein schwer verdientes Brot
Doch / da mein Führer mich zur Ruhe denckt zu bringen /
So kan ich wohlvergnügt das Consummatum singen.

Death to the young man

Der Tod zum Jünglinge:
Ihr Nymphen / die ihr hie den frischen Jüngling schaut /
Wünscht ihr vielleicht durch ihn zu heissen jungfer Braut?
Umsonst / die Rechnung wird euch mit einander trügen /
Ich werd ihn in der That / ihr in Gedancken kriegen.

The young man

Der Jüngling zum Tode:
So soll ich an den Tantz / wer hätte das gedacht?
Ich / der ich manches Schloß / doch in der Lufft gemacht.
Nun wird mein Hoffnungs=Bau frühzeitig eingerissen;
Ich wolte bald die Braut / und muß die Mutter küssen.

Death to the young woman

Der Tod zur Jungfrauen:
Ich halte / wie die Welt / von Complimenten nicht /
Muß; heißt mein hartes Wort / das Stahl und Eisen bricht.
Und warum wollt ihr mir den letzten Tantz versagen?
Die Jungfern pflegen sonst kein Täntzgen abzuschlagen.

The young woman

Die Jungfrau zum Tode.
Ich folge / weil ich muß / und tantze / wie ich kan;
Ihr Schwestern / wehlet euch bey Zeiten einen Mann.
So reichet ihr die Faust dem Bräutigam im Leben /
Die ich dem Tode muß / doch halb gezwungen geben.

Death to the child

Der Tod zum Wiegen-Kinde:
Nimm / zarter Säugling / an den frühen Sensen=Schlag /
Und schlaf hernach getrost bis an den jüngsten Tag.
Wohl dem / der so wie du fällt in des Todes Hände:
So kröhnt den Anfang schon ein hochbeglücktes Ende.

The child

Das Wiegen-Kind zum Tode:
Weinen ist meine erste Stimme gewest. Sap. 7 / 3.

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