Todten-Tantz

The following is the preface from Matthäus Merian's book Todten-Tantz, wie derselbe in der löblichen und weitberůhmten Statt Basel from 1649.

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Vorrede an den Christlichen Leser.

DEmnach es nöthig und billich ist, daß man eines jeden Buchs, so man durchgehen und lesen will, Inhalt, Zweck und Nutzen wisse, und solche drey Ding auch jederzeit von allen verständigen Menschen beobachtet werden, so halte es gleichfals allhier vor rathsamb, mein lieber Leser, etwas in Ansehung dieses gegenwärtigen Tractätleins, hiervon anzurühren.

Belangendt den Inhalt, so wirstu finden, das berümbte Gemählde deß Todtendantzes, welches in der Löblichen und weitberümbten Statt Basel bey dem Prediger Closter, auff dessen schönen Kirchhoffe, so voller Lindenbäumen stehet, an dem gepflasterten Fußpfad zur rechten Hand im eingehen, auff einer lange Mauer mit Oelfarben in rechter Lebensgrösse gemahlet stehet, und mit einer Gallerie und Tachung verwahret ist.

Es ist aber solches ein altes Monument und rare antiquitet, welche (wie gründtlich darvor gehalten wirdt) bey Zeitten Käysers Sigismundi in dem grossen Concilio allda gestifftet worden von denen anwesenden Vättern und Prælaten, zur Gedächtnuß deß grossen Sterbens oder Pest, so allda Anno M C D XXXIX in noch wehrendem Concilio grassirt, und sehr viel Volcks weggerissen hat, darunter auch etliche vornehme Herren Cardinäl unnd Prælaten


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waren, (Sintemal gemeldtes Concilium angefangen Anno 1431. under dem Papst Eugenio IV.) hat gewähret 17. gantzer Jahr, neun Monat, und sieben und zwantzig Tage, welche allda, und meistentheils in der Carthäuser Kirch im Mindern Basel begraben ligen. Dann weil Hochgedachter Käyser ein sonderlicher Liebhaber und Beförderer gelehrter Leuthe und Künstler war, als haben sich derselben gar viele stäts umb ihn gefunden, massen eben zu selbiger Zeit die Kunst mit Oehlfarben zu mahlen erfunden worden, von einem Niderländischen Mahler Johan van Eick genennt, da man zuvor allein mit Wasserfarben mahlen müssen, so nicht lang dauren können. Nun, wie gemeldt, so haben die Vätter deß Concilii dieses löbliche Werck durch einen der besten Mahler (dessen Nahmen mann doch nicht wissen kan) mit der newerfundenen OehlfarbenKunst an diesem Orth mahlen lassen. Darbey dann auch wol in acht zu nehmen, daß fast alle Stände durch dieses Werck contrefeit seynd nach dem Leben, und eben in solcher Tracht und Kleydung, wie man selbiger Zeit brauchete. Die Figur deß Papsts/ ist Felicis V. welcher allda an obgemeldten Eugenii Statt wom Concilio erwöhlet wurde, eygentliches Bildnuß. Deß Käysers Figur, ist Sigismundi, deß Königs, ist Alberti II. damahligen Römischen Königs wahres Contrefeit, welche im Concilio anwesend waren. Die Reimen betreffend, solche seynd gleichfals zu selbiger Zeit nach Art der damals ublichen Teutschen Sprach, und Poetischer Dichtkunst darbey gesetzt, wie solche uber jedem Bilde zu sehen, unnd von


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Wort zu Wort, wie sie lauten nach dem Originali, hiebey getruckt worden. Als nun dieses Gemählde viel Jahr gestanden, und Alters halben etwas verblichen, hat es der Löbliche Magistrat im Jahr M D LXVIII. widerumb ernewern, und ubermahlen lassen, doch dem vorigen allerdings gleich, durch einen guten Mahler Nahmens Hanß Hugo Klauber, Burgern zu Basel, und weil an selbiger langen Maurn noch mehr Platz ubrig war, hat man zur Gedächtnuß dero in An. MDXXIX. kurtz vorhergangenen Reformation, die Bildnuß deß Gottseligen und gelehrten Manns Johannis Oecolampadii, sonsten Hauß Scheins, dahin mahlen lassen, anzudeuten, wie er allen Ständen das H. Evangelium prediget, da dann auch zu Ende dieses Todtentantzes, nach solchen alten Gemählden der gedachte Mahler sich selbsten, sampt seinem Weib und Kindern nach dem Leben, in solcher Tracht und Kleydung, wie damals bräuchlich, abgemahlet hat. Wie dann die zu Ende deß Todtentanzes gesetzte Tafel in Lateinischer Spraach dieser Renovation urkundt gibt. Aber lang hernacher, nemlich Anno MDCXVI. ist dieses Gemählde widerumb vernewert worden, welches noch heutigs Tags allda zu sehen ist.

Damit aber solches alte Gemählde, wiewol es an sich selber Alters unnd Invention halben gar denckwürdig ist, (Massen es noch heutigs Tags von allerhandt Nationen und Standes durchreysenden Personen mit sonderbahrem Lust und Begierde, zu Basel an seinem Orth angesehen, unnd beystehende Rythmi gelesen werden) dennoch nicht gar bloß,


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und allein stünde in diesem Wercklein, als wirstu finden nach gemeldtem Baßlerischem Todtentantz allerhandt Erinnerungen, so wol von der Menschlichen Sterblichkeit, Flüchtigkeit dieses gegenwärtigen Lebens, und Eitel- oder Nichtigkeit aller zeitlicher irdischer Dinge, wie auch von der rechten Vorbereytung zum Todt; welche Erinnerungen theils auß der Heiligen ohnfehlbaren Schrifft Göttlichen Worts, theils auß denen mit gemeldter Schrifft ubereinstimmenden Zeugnussen unterschiedlicher Altvätter oder Kirchenlehrer mit reiffem unpartheyischem Verstandt gezogen, und mit gutem unpassionirtem Gemůth hieher gesetzet seynd.

Betreffendt aber das Absehen oder den Zweck dieses Wercks, daß mich dessen underwunden, und in solcher Form selbiges nun herauß gebe, so gestehe gern, daß mich zwar darzu bewogen hat, die Liebe meines irdischen Vatterlands, offtgedachter Löblicher Statt Basel, darinnen ich geboren bin; deren zu Ehrengedächtnuß auch vor nunmehr 33. Jahren dieses Gemählde deß Todtentantzes nach dem Original abgezeichnet, und hernach zu Kupffer gebracht, auch, ob schon vor diesem solche Kupffer anderen uberlassen gehabt, selbige Platten wider an mich erhandelt, auffs newe uberstochen, und in gegenwärtige Form verfertigen lassen: Massen eben deßwegen an statt einer völligen Beschreibung gedachter Statt, (welche wie sie dieser Zeit beschaffen, sich in meiner Topographia Helvetiæ außführlich findet) nur allein eine Missiv deß Æneæ Sylvij (so hernach Papst, und Pius II. genannt worden, welcher auch die Universität zu Basel ge-


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stifftet hat Anno MCDLX.) allhie einverleibet habe, welche Missiv von ihme Anno MCDXXXVI. in werendem Concilio an Iulianum Cardinalem S. Angeli abgangen, und das gemeldte Baßlerische Concilium und damahligen Standt der Statt Basel artig beschreibet in Lateinischer Sprach, so hernacher durch Christian Wursteisen ins Teutsche ubergesetzt ist. Aber neben unnd uber solche liebliche Bewegung hat mich auch darzu getrieben meine eigene Notturfft, unnd zeitige Betrachtung meines Sterbstündleins, welches sich nach GOttes Willen herzu nahet. Was köndt ich bessers von Basel holen, oder von ihr ohne deren Abgang oder Schaden entlehnen, als eben das jenige, das mir, und zwar eben in meiner Kunst, vor Augen stellt das jenige, was alle verständige Menschen, die sich selber in dieser Welt, und sonderlich im Todt nicht wollen verlieren, wol zubetrachten haben? Und wie köndte es bequemer geschehen, als eben von dem Orth meines zeitlichen Anfangs, auch mit Frewden zu fassen eine gewaltige Gedächtnuß meines zeitlichen oder irdischen Endes? Damit gleichwol niemand gedächt, als ob ich mir allein also hätte dienen wollen, so bekenne mit Warheit, daß mich auch noch uber solchen kräfftigen Trieb hierzu gleichsamb genötiget hat die Liebe meines Nehesten, auch, wo unnd wie es möglich, vielen andern zu dienen: Nicht allein denen, die etwan solche Baßlerische Antiquität deß Todtentantzes vor Alters in ihrer Jugend gesehen, und sich deren gern recht erinnern möchten in ihrem Alter, wann sie nur solche noch einmal vor Augen haben könd-


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ten, welches auss diese Weise geschicht; sondern auch denen, welche entweder allbereyt darvon gehört, oder aber dennoch von nöthen haben, daß sie offtermals solches wunderlichen unnd allgemeinen Tantzes erinnert werden; nach dem doch kein einiger Mensch ist, der nicht an diesen Reygen müsse; und haben dessen wol am allermeisten von nöthen, die noch am allerbesten tantzen, lauffen, und frölich seyn können. Dahin dann Zweiffels ohne der erste Erfinder oder Angeber dieses Todtentantzes selber gesehen hat, nemblich alle rohe, sichere und fleischliche fröliche Hertzen zu vermahnen und zu warnen, daß sie dieser kurtzen Zeit recht wahrnehmen, diese Welt nicht mißbrauchen, und all ihr Kurtzweil also beschneiden lernen, daß sie in den Schrancken wahrer Gottesforcht bleiben, das Ende betrachten, unnd also nicht leichtfertiger weise sündigen. Auß solcher Erzehlung deß guten Zwecks kanstu nun auch ohnschwer ermessen den manigfaltigen Nutzen, lieber Leser, der darauß zu schöpffen ist.

Ich will jetzunder nichts sagen von den sinnreichen schönen einander nahe verwandten beyden Künsten des Mahlens und Kupfferstechens. Dann es ist bekandt, das künstliche Gemählde offt gantzen Stätten ein Ansehen und Nahmen machen, daß auch solche Künste bey den Persen, Griechen, Römern, und andern tugendhafften Völckern, jederzeit von grossen Herren, Käysern, Königen, und anderen hohen vornehmen und verständigen Leuthen, in grossem Werth gehalten, wie die Historien gnugsamb zeugen, daß auch offt ein eintziges kunstreiches Gemählde umb hohen unschätzli-


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chen Werth ist verkaufft worden. Noch ein mehrers war es, daß vor Zeiten die Persier in ihren Stätten, und an den offenen Strassen viel Kriegshändel und Schlachten mahlen liessen, ihr Volck desto begieriger und hertzhaffter zu machen, wie bey Ammiano Marcellino lib. 24. erzehlet wirdt, &c. Thaten sie das, die Gemüther ihrer Jugendt zu schärpffen und auffzuwecken, umb desto frischer vor das Vatterland unnd zeitlichen Ruhm zu streiten, welches doch geschach mit grosser Gefahr, in dem sie vor dem Feind gleichsamb dem Todt entgegen tantzten; ey wie viel besser wirdt es seyn bey diesen letzten bösen Zeiten der frechen ruchlosen Welt, die beynahe gar nichts mehr förchtet, auch Gott den Allerhöchsten selbsten nicht, den Todtentantz selber abzumahlen, und vor Augen zu stellen, es sey gleich mit dem Pensel auff der Taffel, oder mit dem Griffel auff der K[l]upfferblatten? Und wie viel nutzlicher wirdt es seyn anzuschawen an statt Martialischer Sachen, darbey man im Leben den Todt findet, dises Gemählde deß Todtentantzes, darbey man im Todt das Leben findet, so man es recht bedenckt? Kůrtzlich zu erzehlen, (dann das gantze Werck ist lauter und voll solcher Lehren) nachfolgende Nutzbarkeiten wirstu darbey finden.

Erstlich die Edle Demuth, wird sich bey Anschawung deß Todtenbildes, in deinem eygenen Standt, unnd wieder unverschämpte Vielfraaß, und unersättliche Verschlucker aller menschlichen Cörper der Todt, so artig dich bey der Hand erwischt, und nach sich zeucht, zum wenigsten an deine Gedancken præsentiren, wo nicht gar in den vesten Grund


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deiner Seelen setzen. Dann da wird dir das Nosce teipsum, Erkenne dich selbsten, und das vortreffliche schöne Wort deß Syrach c. 10.v.9.&c. weisen Syrachs einfallen: Was erhebt sich doch die arme Erde und Asche? Ist er doch ein schändlicher Koth, weil er noch lebte; und wann der Artzte schon lang daran flickt, so gehts doch endlich also, heut König, morgen Todt: Und wann der Mensch todt ist, so fressen ihn die Schlangen und Würme. Da kompt alle Hoffart her, wann ein Mensch von GOtt abfällt, und sein Hertz von seinem Schöpffer weicht: Und Hoffart treibet zuallen Sünden; und wer darin steckt, der richtet viel Grewel an. Darumb hat GOtt allzeit den Hochmuth geschändet, und endlich gestürtzt, &c. Nun ist gleichwol die Demuth eben der Grund aller Tugenden, also daß ohne die selbe alle andere Gaben, sie seyen so trefflich als sie immer wollen, degeneriren, verlieren ihre Krafft, unnd Luc.14.v.11. Luc.18.v.14. Matth.23.v.12. werden zu desto grössern Lastern. Dann wer sich selbst ernidriget, der soll erhöhet werden, und hingegen, wer sich selbsten erhöhet, der soll ernidriget werden, nach der Regul Christi, die er offtermals gebrauchet hat bey seinen Vermahnungen.

Darnach so folgt die Verachtung dieser Welt, daß ein Eccl. 1.v.2 Mensch bey sich selber gedenckt: Vanitas Vanitatum. Es ist alles gantz Eitel. Was hat ein Mensch mehr von aller seiner Mühe, die er hat unter der Sonnen? Und wird anfangen zu sagen: O wie gar nichts seynd doch alle Menschen, Psalm.39. die doch so sicher leben? Sela. Ach du getrewer GOtt, was ist doch alles miteinander, daß wir arme Menschen thun in


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dieser Welt! Das wird dann machen, daß er zwar vor seine Eccl.5.v.17 Person wird hingehen, und sein Brodt mit Frewden essen, und frölich seyn bey aller seiner Arbeit und Mühe, die er hat unter der Sonnen; aber unter dessen dennoch allezeit sagen Eccl.2.v.2 zum Lachen, du bist toll, und zur Frewde, was machstu? Und wann er das närrische Tollwesen der Menschen wie sie auffgeblasen, geitzig, tyrannisch, oder sonsten leichtfertig seynd, anschawet, so wird er stracks bey sich selber, entweder mit dem Philosopho Heraclito anfangen zu weynen, oder auß Habac.2.v.6. eben einerley Gemüth mit dem Democrito anfangen zu lachen, und mit dem Heiligen Mann GOttes Habacuc fragen: Wie lang wirds weren?

Drittens, wirdt darauß entstehen die bedachtsame Fürsichtigkeit, weil der Todt nicht allein keines Standts und Ansehens, sondern auch keines Alters schonet; auch offters unversehens den Menschen zu seinem Tantz nöthiget, und bey der Hand erwischt, wann man gedencken möchte, er sey noch ferne von uns: (Welches doch närrisch ist sich einzubilden, da wir doch von lauter Todt leben, unnd tragen selbst den Todt in unserm Busem:) Dannenhero wirdt ein Mensch witzig, unnd läßt bey sich gelten das Wort Jesaiæ, das er Jes.38.v.1 sagte zu Hißkia dem Könige: Bestelle dein Hauß, dann du wirst sterben, und nicht lebendig bleiben; und wird demnach bey Zeiten alle seine Sachen suchen richtig zu machen, unnd nicht auff die lange Bahn schieben. Dann wann der Mensch todt ist, so sind verlohren alle seine Anschläge. Wir Luc.16.v.3 müssen uns mit dem klugen Haußhalter versorgen. Wann


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wir die Register oder Brieffe unsers HERRN noch unter den Händen haben, dann wann wir warten wollen, biß wir vom Ampt abgesetzt, und gestorben sind, O so ist es zu lang Eccl.11.v.3 gewartet. Wie der Baum fällt, so bleibt er ligen. Auß dieser Fürsichtigkeit wird neben der Häußlichen Versorgung der Seinigen, welche doch das geringste, wiewol auch nöthig ist, (dann wer die Seinige nicht versorgt, nemblich mit Gott und Ehren nach seinem Vermögen, der ist ärger als ein Heyd, und hat den Glauben verläugnet.1.Tim.5.v.8.) alsbald entspringen.

Zum Vierten die Versöhnung mit Gott und seinem Nehesten: iene durch wahre Bußfertigkeit und Bekehrung zu Gott, so da bestehet in Absterbung oder Tödung deß alten, und Aufferweckung deß newen Menschen. Da wird de Menschen tieff im Hertzen ligen die Vermahnung Syrachs c.18. Spare deine Buß nit biß du kranck werdest, sondern bessere dich, weil du noch sündigen kanst; verzeuch nit fromm zu werden, und harre nit mit Besserung deines Lebens biß in den Todt; und wiltu Gott dienen, so laß dirs einen Ernst seyn, auff daß du GOtt nit versuchest. Gedenck an den Zorn, der am Ende kommen wird, und an die Raache, wann du darvon must. Ursach, hinder dem Todt deß Menschens stehet auch noch etwas, nemblich dz hohe und unvermeidentliche Gericht deß Allmächtigen Gottes, der Seelen nach als bald wann der Mensch gestorben, den Leibe nach, am Ende der Welt; also dz es heist: Den Menschen ist Heb.10. gesetzt einmal zu sterben, darnach aber dz Gericht. Sintemal d' mensch Wirt allererst recht gewar, wie er gelebt hat, wann er stirbt,


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sagt recht und wahrhafftig Syrach c.11.v.29. Darumb soll In Commentar.Sup.Mat. uns billich zu Muth seyn, wie S.Hieronymo, welcher sagt von sich selber, Ich esse oder trincke, oder was ich thue, so dünckt mich immerdar, ich höre diese Stimme in meinen Ohren 2 Cor.5.v.10. klingen: Stehet auff ihr Todten, und kommet zum Gericht, &c. Dann wir müssen allesampt offenbahr werden vor dem Richterstul JEsu Christi, auff daß ein ieglicher empfahe nach dem er gehandelt hat bey Leibes Leben, es sey gut oder böse. Darumb was du thust, so bedencke das Ende, so wirstu nimmermehr sündigen. Zu dieser Bußfertigkeit wird sich gesellen die Versöhnung mit dem Nähesten, durch hertzliche Syrach.7.v.40. Verzeihung aller Fehler, auß Betrachtung, daß der nicht umb Vergebung seiner Sünden bey GOtt recht bitten, viel weniger sich deren versichern kan, der nicht seinem Nebenmenschen Matth.18.v.35. allbereyt vergeben hat. Wie der HERR außtrücklich lehret: Also wirdt euch mein Himlischer Vatter auch thun, so ihr nicht vergebet von Hertzen, ein ieglicher seinem Bruder seine Fehle. Wie dann? Antwort, er wirbt euch uberantworten den Peinigern, biß ihr bezahlet was ihr ihm schuldig seyt. Wehe aber dem, der also bezahlen soll selber mit der haut; wo wil ers nehmen? Derhalben wird er gedencken Matt.5.v25. an das Wort Christi allezeit: Sey wilfährig deinem Widerfacher bald, dieweil du noch bey im auf dem Wege bist, das ist, ehe du den Todtentantz thun must, welches dann eben verletzte Spruch ist zu dem Richter selbsten, unnd seinem Stul. So man dann eine verbitterte, unnd mit Haß deß Nähesten außgefüllte Seel dahinbringen wolte, wie kans


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dann seyn, daß ihr nicht eben das auch begegnen solte, was sie Syrach 28.v.3.&c. mitbringt, nemblich Haß, Rachgier und Zorn? Dann gedenck wie doch das gehen könne, Ein Mensch hält gegen dem andern den Zorn, und wil bey dem HERRN Gnade suchen, Er ist unbarmhertzig gegen seines gleichen, und wil für seine Sünde bitten: Er ist nur Fleisch und Blut, unnd hält den Zorn, wer wil dann ihm seine Sünde vergeben? Zu diesem Nutzen der Versönung gehört auch die Freygebigkeit, daß man andern gern guts thut, ehe man zum Todtentantz gehet, Syr.14.v.11. nach der Vermahnung Syrachs: Mein Kind, thu dir selbst guts von dem deinen, und gib dem HERRN Opffer die ihm gebüren; gedenck daß der Todt nicht säumet, und du weist ja wol, was du vor einen Bund mit dem Todt hast. Thu guts dem Freunde vor deinem Ende, und reyche dem Armen nach deinem Vermögen. Vergiß der Armen nicht, wann du den frölichen Tag hast, so wird dir auch Frewde widerfahren, die du begerest. Du must doch deinen sauren Schweiß andern lassen, und deine Arbeit den Erben ubergeben. Gib gern, so wirstu wider empfahen, und heilige deine Seele; dann wann du todt bist, so hastu außgezehret &c.

Der fünffte Nutz wird seyn Sanfftmuth und Mitleyden, wann man bedenckt, daß kein einiger uberbleibt, sondern alle davon müssen, und den Ring an der Thür lassen. Dann es thut offt wehe, unnd schmertzt, auch wol fromme Seelen, Jer,2.v.1. wann man etwan sihet, wie sich Gottlose Leute auffbrüsten, psalm.73 wie ein fetter Wanst, gehet inen wol, grünen wie ein Lorberbaum solche Leute, die doch wol zu GOtt sagen, heb dich von


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Hiob 21.v.14. uns, wir wollen von deinen Wegen nichts wissen: oder solche, die uns alles Leyds anthun, und müssen sie vor unsern Mal.3.v.15. Augen sehen; Solche, denen es gehet alß hätten sie Werck der Gerechten, und seynd gleichwol die oder die, &c. Aber schaw an den Todten-Tantz, so wirstu bey dir gelten lassen, Psal.37.v.1.v10. was der gute David sagt: Erzürn dich nicht uber die Bösen, sey nicht neydisch uber die Ubelthäter. Dann wie das Graß werden sie bald abgehawen, und wie das grüne Kraut werden sie verwelcken. Es ist noch umb ein kleines, so ist der Gottlose nimmer, und wann du nach seiner Stette sehen wirst, Syr.21.v.10.11 wird er weg seyn. Das wenige, das ein Gerechter hat, ist besser dann das grosse Gut vieler Gottlosen, &c. Dann was die Gottlose betrifft, die gehen zwar auff einem feinen Pflaster, aber deß Ende der Abgrund der Höllen ist; Ihre Rotte ist wie Psalm 94 ein Hauffen Wercks, das mit Fewer verzehret ist. Derhalben wer weise ist, der harret nur der Zeit, biß dem Gottlosen die psalm. 37 Grube bereitet wird zum Beschluß seiner Glückseligkeit: befihle dem HErrn deine Wege, und gedencke: Ipse faciet, Gott wirds wol machen: was ist es dann so ein groß Werck, wann es schon den Gottlosen eine zeitlang wolgehet, und haben ihr theil in diesem Leben, sie bringen ja doch anders nichts davon, alß nur das Maulfutter, ein Tuch ins Grab damit schabab, die Gottlosen müssen sich ja an einem Ort lustig machen, und ihr Himmelreich hiehaben, weil sie das droben nit zugewarten haben. O wie thewer werden sie ihren Spaß und Kurtzweil bezahlen müssen. O elende Leute, daß sie nicht sehen können oder wollen, was hinder dem Todt stehet. Darumb sol der


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Gottlosen Sinn ferne von uns seyn, dann ihr Gut stehet nit in ihren Händen, wie Hiob redet c.21.v.16.

Ja eben hierauß kan man schöpffen zum Sechsten die Erkantnuß der Göttlichen Langmut, durch welche er zuläst grossen Muthwillen den Gottlosen, und zeitliche Trübsalen seinen Kindern, den Glaubigen und Bußfertigen. An dem Todtentantz kan man, so verstand da ist, die Ursach mercken. Dann ein mensch, wann er gleich sein bestes gethan hat, so ists noch kaum angefangen, und wann er meynt, er habs vollendt, so fehlet es noch weit. Dann wz ist der Mensch? worzu taugt er? was kan er frommen oder schaden thun? Wann er lang lebet, so lebet er 100. Jahr. Gleich wie ein tröpflein Wassers gegen dz Meer, und wie das Körnlein gegen den Sand am Meer, so gering sind seine Jahr gegen der Ewigkeit. Darumm hat Gott Gedult mit inen, und schüttet seine Barmhertzigkeit auß uber sie, dann er sihet und weiß wol, dz sie alle deß Tods seyn müssen, darumm erbarmet er sich desto reichlicher uber sie, &c. Wz die Gottlose betrifft, deren kan ime keiner entlauffen, und weil er in sonderlich im Todt und durch dessen Gewalt herbey holt, ey so ist es kein Wunder, dz er ime allhie viel ubersihet, wie es scheint, und hernacher desto gewaltiger straffet: hingegen belangend die Bußfertige, ist kein wunder, dz er sie die schärpfe seiner Gerechtigkeit in diesem Leben ein wenig durchs Creutz beprüffen läst, dieweil er ihnen den unaußsprechlichen Reichthumb seiner Herlichkeit in dem rechten lebendigen Leben bereitet hat, und also alles wol einbringen kan: Darzu dann auch eben dasselbe Mittel der Todt helffen muß. Sintemahl er vor die Menschen anders nichts ist, alß ein dunckeles Ge-


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wölb, Johan.5.v.24. dardurch sie alle kriechen müssen in das Ewige, entweder seelige im Himmel, oder unselige leben in der Höllen; inmassen Dan.12.v.2. neben dem H. Wort Gottes, auch das Gewissen deß Joh.5.v.28.29. Menschen selber ohnfehlbarlich gestehen muß, wie der Apostel Matth.25.v.46. Paulus gewaltig lehret Rom.2.v.15.16. Wer den TodenTantz also ansihet, der wird dann ohne allen zweiffel darauß noch fassen können diese zween nachfolgende Nutzen, nemlich

Zum Siebenden, die andächtige Gottsfürchtige Dankbarkeit, wanns einem wolgehet, gesund ist, und die grosse Wercke alß Wolthaten deß Allmächtigen betrachtet. Dann wer wolte nicht dem guten David nachsagen und Psal.8.v.5. nachsingen auß dem achten Psalm: Was ist der Mensch, daß du sein gedenckest, und deß Menschenkind, daß du dich seiner annimst? Das machet der Todten-Tantz, der weiset uns, was wir seynd zurechnen beydes gegen dem, was GOtt unser Herrscher und sein herrlicher Nähme ist, dessen grosse Mayestät erhellet auß allen seinen gewaltigen Geschöpften, und dann auch gegen dem, was eben derselbige Allerhöchste HERR uns armen Erdwürmen thut, in dem er uns bey der Schöpffung die Herrschafft gegeben hatte uber seiner Hände Wercke; nach und unter dem Fall so vielerley Zeichen seiner Gütigkeit noch sehen und geniessen läst: und in Christo, deß Menschen Sohn, wie es S. Paulus selber erklärt und anzeucht zun Hebr.c.2. dasselbige Privilegium und Recht auß lauter Gnaden wiedergibt, und uns nechst den Engeln gar zu vollkommenen Herrn uber alle seine Creaturen setzen wird, also daß (die Glaubige und Fromme) auch die Welt


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richten werden.1.Cor.6.v.2. Welches auß dem Todtentantz der gemeldte David selber gelernet hat, massen seine Wort es geben an einem andern Ort, da er nach eben denselben Worten: HERR, was ist der Mensch, daß du sein gedenckest? und deß Menschenkind, daß du ihn so achtest? darbey setzet: Ist doch der Mensch gleich wie nichts, Seine Zeit fähret dahin wie ein Schatte. Ja freylich ist sichs höchlich zuverwundern, daß der Allmächtige Gewaltige HERR Himmels und der Erden unser armen Menschen sich also annimpt, und unter allen Manieren, sonderlich dergestalt, daß er selbst seinen eingebornen Sohn hat lassen ein Menschenkind werden, damit uns der Todten-Tantz nichts schaden noch von seiner Gnade absondern, vielweniger unsers Lebens und Herrschafft allerdings berauben möchte. Wer wolte da nicht von dem gifftigen Scorpion (dem Todte) selbsten ein gesundes Oel machen, und auffgemuntert werden, seinen lieben GOtt zu preisen, und auff seinen Wegen in seiner Forcht zu wandeln? Ja wer wolte

Zum Achten und letzten nicht eben hierauß fassen die liebe Gedult unter allem seinem Creutz, auß Betrachtung deß Todten-Tantzes, dahin es ja so gar lang nicht seyn wird? Sintemahl das ja eine edle Tugend deß Todes ist, daß er ein End macht alles unsers zeitlichen Elends: da werden wir befreyet von dem gegenwertigen Unglück, und Schmertzen: da entlauffen wir dem nechstbevorstehenden Unheil, das uns sonsten gar bald hätte ergreiffen können: da verschlaffen wir so uberauß viel Sorgen und Angst, Jammer und


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Trübsalen, damit sich die Lebendige auss Erden müssen plagen, unnd zerpeinigen lassen. Ey wer wolte dann nicht also sagen zu seiner eygenen Seelen: Sey zu frieden meine Seele, es wird bald ein Ende nehmen; du wirst bald auß dem Gefängnuß und Kercker deines stinckenden Leibes erlöset, und auff freyen Fuß gestellet werden: Sonderlich wann dem Menschen vor Augen schwebt die ewige Frewde und Seligkeit, so GOtt bereytet hat denen die ihn lieben, und verlangt selbsten zu empfangen die Cron der Gerechtigkeit, welche ihme beygelegt ist auff seinen guten Kampff. Wer wolte da nicht gern mit Tantzen, und gleichsamm mit vollen Sprüngen dem Todt Phil.1.v.23 wann er kompt, die Handt darreychen, und sagen: Willkomm, willkomm, du lieber Todt, ich begehre auffgelöset zu werden, und bey Christo zu seyn, welches auch viel tausendmal besser ist. Ich weiß daß du mir ein guter Botte bist, gesandt von meinem lieben GOtt und Vatter, daß er mich selber einmal sehen will an einem viel bessern Orth, und allein mit meiner Seelen reden. Du kanst mir nichts nehmen, daß ich dir nicht schon gegeben habe, und kanst auch nichts von mir behalten, als was nicht würdig ist einzugehen in die Frewde meines HERRN; ja du wirst meinen Leib endlich selbsten wie jener Wallfisch den Jonam außspeyen, und mir widergeben müssen. Apoc.20.v12.13 Dann also lesen wir Apoc.20. daß der Apostel Johannes gesehen habe die Todten stehen vor Gott, und der Todt selbst und die Höll gaben wider ihre Todten. Darauß wird offenbahr, daß, obschon die arme Menschen sich bey diesem Tantz zu todt tantzen, wie es sich ansehen läßt vor unsern Augen,


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und auch was den irdischen Leib betrifft in Warheit geschicht, dennoch die Todten für GOtt nicht ligen, sondern stehen: Es tantzt sich keiner gar zu todt, unnd so müde, daß er gleichwol nicht stehen solte, nemblich in seiner Substantz. 1. nach der Seelen, die nimmermehr stirbt, und dann auch 2. nach dem Leib, der endlich wider aufferstehen wird, wie GOttes Wort heiter unnd sonnenklar bezeuget. Weil nun deme also ist, wer wolte dann sein selbst eygen Feind seyn, und vergessen, sich bey Zeiten gefaßt zu machen zu dem jenigen, daran es allmiteinander gelegen, nemblich zu einem seligen Abschied unnd Sterbstündlein? Wer wolte sich auch uber Nacht, ja auch gern einen Augenblick finden lassen in einem solchen Stand, in welchem er, so ihn sein Schöpffer durch den schnellen Pfeil deß Todtes wegreissen solte; alsobald deß unerträglichen Zorns GOttes gewärtig seyn müste? Wer wolte nicht gern hören oder lesen, und anschawen eben das, darfür er etwan heut oder morgen, wann ers nie zuvor gesehen noch gekennt, erschrecken möchte? Wer wolte erschrecken darvor, daß ihn unter allen Dingen dieser Welt, am allermeisten befördert, zu Ruhe, und unaußsprechlicher Seligkeit zu kommen? Ejus est mortem timere, qui ad Christum nolit ire, sagt jener Lehrer recht, das ist, der mag sich vor dem Todt förchten, der nicht zu Christo begehrt zu gehen.

Nach dem aber rohe verzweifelte Weltkinder nichts vom Todtentantz halten, noch zu solchen acht Nutzbarkeiten penetriren, oder gelangen, sondern andere kurtzweilige Täntze lieber sehen, und denen beywohnen, massen sie diese Regul


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1.Cor.15.v.32 im Schild führen: Lasset uns essen und trincken, dann Morgen Jes.22.v.13 sind wir todt; und seynd mit Esau eben deßwegen Gottloß Sap.2.v.1.&c. weil sie sterben müssen. Sihe ich muß doch sterben, was Gen.25.v.32. Heb.12.v.16. soll mir dann die Erstgeburt: Und verkauffen (versauffen, Verhuren, &c.) umb einer Speise willen ihr Antheil zum Himmel, Ursach, weil sie nicht haben der Hoffnung, daß ein heilig Leben belohnet werde, und achten der Ehren nichts, so unsträffliche Seelen haben werden, wie im Buch der Weißheit erzehlet wird, c.2.v.22. Nach dem, sage ich, solche Menschen (deren, leyder, mehr seynd als gut ist, sonsten würden sie Sap.2.v.22 ein ander Leben führen als sie thun) Ihre Boßheit verblendet hat, daß sie Gottes heimliches Gericht (unter dem menschlichen Todtentantz verborgen, und auff denselben folgend) nit erkennen, so ist es hoch vonnöthen, daß ein jeder an seinem Ort den Allmächtigen Gott inbrünstig anruffe, und gebe im solches zuerkennen, bewahre ihn vor dergleichen Boßheit und Blindheit. Hie gilts seufftzen und beten zu GOtt mit David, HERR, lehre mich doch, daß ein Ende mit mir haben muß, und mein Leben ein Ziel hat, und ich darvon muß; und mit Mose, Ach HERR, lehre uns bedencken, daß wir sterben müssen, auff daß wir klug werden.

Derhalben bin ich der ungezweiffelten guten hoffnung, Mein günstiger und verständiger Leser, du werdest dir diese meine zwar geringe, doch wolmeynende Arbeit belieben, und kräfftiger dienen lassen, zu obgemeldten acht Nutzbarkeiten, als etwan vor Zeiten jene vorsichtige Heyden, die bey ihren frölichen Mahlzeiten einen Todtenkopff mitten


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auff die Tafel zu setzen pflegten, oder jene, die ihre Todtensäcke in ihren Häusern, und stäts im Gesicht hatten, damit sie ja ihr Sterbstündlein vor Augen hätten: Nach dem diese schöne Gemählde und gewaltige Sprüche, die du hie finden wirst, dir, und mir, und jederman eben dasselbige viel lieblicher zu Gemüth ziehen können. GOtt gebe seine Gnade! Gehab dich wol.

Matthæus Merian
Der Elter


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